Alina Vorwerk und Kai Hessenbruch betreuten die Jugendlichen zu Weihnachten an der Thomas-Mann-Straße.
Wermelskirchen. Der Teenager hatte schon Jahre keinen richtigen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt – und wenn, dann waren sie eher Problem behaftet. Seine Mutter ist schon länger tot. Zusammen mit sechs anderen Jugendlichen lebt er in einer Wohngruppe der Evangelischen Jugendhilfe Bergisches Land (EJBL) und hat dort auch während der vergangenen Jahre seine Weihnachtsfeste gefeiert.
Dieses Jahr war das ein bisschen anders. „Sein Vater hat ihn eingeladen an Heiligabend“, erzählt Erzieher Kai Hessenbruch. Der 31-Jährige hatte an Heiligabend bis zum Mittag des ersten Weihnachtsfeiertages Dienst in der Wohngruppe. „Er kam dann zu mir und erzählte mir von seiner Unsicherheit und der Angst, dass es doch schief laufen, es Streit oder Probleme geben könnte“, berichtet Kai Hessenbruch von den Sorgen des Jugendlichen.
Eltern sind zum Teil schon verstorben
„Ich habe ihm dann gesagt, er soll es einfach ausprobieren. Ich sagte, was soll schon schief gehen? Wenn du nicht mehr magst, dann kommst du zu uns zurück.“
„Wir“ das waren in den Fall jene Jugendlichen aus der Wohngruppe, die dieses Weinachten nicht bei ihrer Familie verbrachten. „Weil die Eltern entweder schon verstorben sind, oder es einfach nicht möglich ist, dass sie mit ihnen feiern“, erklärt Kai Hessenbruch.
An Heiligabend haben sie mit ihm gemeinsam etwas Schönes gekocht. „Wir haben gemeinsam, auch zusammen mit meiner Kollegin Alina Vorwerk, die am 1. Weihnachtfeiertag Dienst hat, überlegt, was wir zelebrieren. Es gibt ja bei uns Jugendliche, die die typisch deutsche Küche gut kennen und mögen, aber auch Teenager aus der Ukraine oder arabischen Ländern, die wiederum ganz anders kochen.“
Ein Kaminfeuer gibt es vom Bildschirm
Irgendwie, sagt Kai Hessenbruch, werde man sich schließlich kulinarisch aber immer einig. Zusammen sitzen sie dann nach dem Essen im Wohnzimmer der Wohngemeinschaft, in dem an diesen Tagen stimmungsvoll ein Kaminfeuer lodert – wenn es auch nur elektronisch vom Fernsehbildschirm kommt.
Hessenbruch: „Klar können wir hier kein echtes Feuer machen.“
Aber gemütlich wird es auch ohne echtes Kaminfeuer. „Auch wenn ich eine Familie zuhause habe, mit der ich dann an den restlichen Tagen feiere, ist das hier auch meine Familie“, betont Kai Hessenbruch. Und auch die Jugendlichen untereinander würden das so sehen und sich gut verstehen.
Einige erzählen von ihren Weihnachts-Erinnerungen
„Wir schauen Filme und spielen gemeinsam“, erzählt der Erzieher. Eben wie die meisten das wohl an Weihnachten auch zuhause machen. Und: „Wir erzählen auch von früher, von Erlebnissen, die die Jugendlichen hatten.“
Jede und jeder erzählt aber nur so viel und das, was sie oder er möchte. „Manchmal schleicht sich aber schon etwas Melancholie ein, wenn sie sich an Weihnachten mit der eigenen Familie erinnern. Und dann wird es auch schon mal traurig.“ Einige würden auch ihn fragen, was er zum Fest mit seiner Familie mache. „Und dann erzähle ich auch ein bisschen was, na klar.“
Zeit für gute Gespräche
Es würde ihm viel geben, mit den Jugendlichen Weihnachten zu feiern. Wenn er auch hin und wieder an seine eigene Familie, Eltern und Lebenspartnerin, denken müsse. „Aber das hier ist meine Aufgabe – und die ist wirklich bereichernd und schön.“
Das sieht auch Alina Vorwerk so. Die 21-Jährige hatte dieses Jahr das erste Mal am 1. Weihnachtsfeiertag als Erzieherin in der Wohngruppe Dienst. „Ich freue mich richtig drauf, mit denen, die hier sind, zu kochen und auch mal Zeit zu haben für längere Gespräche und mich mit ihnen intensiver zu beschäftigen“, sagt sie.
Büroarbeit, das betonen beide, dürfe an den Feiertagen dann auch schon mal liegenbleiben. „Dann sind einfach mal die Menschen dran, die hier leben.“
Ein kleines Weihnachtswunder
Einer davon, nämlich der Jugendliche, der mit seinem Vater den Festabend verbrachte, kam an an diesem Heiligabend um 23 Uhr mit leuchtenden Augen nach Hause. „Ihm hat es so gut gefallen und er hat auch Zeit mit seiner kleinen Schwester verbringen dürfen und sogar ein Geschenk bekommen“, erzählt Kai Hessenbruch. „Das ist auch für uns rührend und vielleicht der Start in eine neue Zukunft für Vater und Sohn.“
RGA, 25.12.2024, Text und Foto: Anja Carolina Siebel