Eine Zeitreise war das Sommerfest der Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land (EJBL) am vergangenen Sonntag für alle Besucher – wenn auch in ganz unterschiedlicher Hinsicht. Die jugendlichen Bewohner selbst hatten via Abstimmung das Thema Millennium und 20. Jahrhundert gewählt. Für die allermeisten ein fiktives Thema, da kein Bewohner vor der Jahrtausendwende geboren worden ist.
Für die ehemaligen Mitarbeiter und die rund 50 Ehemaligen, die den Waldhof zum Feiern besuchten, eine willkommene Gelegenheit für viele Erinnerungen und Anekdoten. Fast konnte man an diesem Sonntag vergessen, wie viele Kinder und Jugendliche erst hier ihre tragischen Schicksale und problematischen familiären Umstände verarbeiten können und zur Ruhe kommen.
Das Sommerfest ist ein Dankeschön an alle, die den Waldhof zu einem Zuhause machen, und so feiern sich die Bewohner und ihre Familien, Mitarbeiter, Unterstützer, Freunde und Ehemalige quasi selbst. Fröhliches Kinderlachen und Musik der vergangenen Jahrzehnte schallten über das großzügige Gelände.
„Heute sind Waisen im eigentlichen Sinne eher die Ausnahme unter unseren Bewohnern“, erzählte Heiner van Mil von der EJBL. „Vielmehr haben die meisten von ihnen unterschiedliche traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.“ Gerade deswegen wird bei der EJBL großer Wert auf Fortbildung in diesem Bereich gelegt. „Um unsere Mitarbeiter handlungsfähig zu machen“, beschrieb van Mil die Notwendigkeit von kontinuierlicher Weiterentwicklung im pädagogischen Bereich.
Tochter einer früheren Bewohnerin ist heute selbst Pädagogin
Auch im Bereich Elternpartizipation tut sich viel: „Früher wurden die Eltern der Bewohner oft nur als Problemverursacher gesehen“, erzählte Mitarbeiter Rainer Siekmann. „Wir versuchen die Eltern heute viel mehr zu beteiligen und auch deren Perspektive zu sehen und zu berücksichtigen.“
Das größte Kompliment für die Mitarbeiter der EJBL dürfte es wohl sein, wenn sich ehemalige Bewohner zur Gründung einer eigenen Familie entscheiden – ganz bewusst und trotz traumatischer Vorgeschichte. So wie Hanna (50), die am Wochenende unter anderem mit ihrer Tochter Chantal (27) im Waldhof zu Besuch war. „Ich komme aus extrem zerrütteten Familienverhältnissen und habe ab 1976 rund drei Jahre ein Zuhause im Waldhof gehabt. Hier konnte ich mich das erste Mal in meinem Leben sicher und geborgen fühlen, bin satt geworden und habe überhaupt erst einen strukturierten Tagesablauf kennengelernt.“ Noch erfreulicher: Ihre Tochter Chantal ist mittlerweile selbst Pädagogin und hilft Kindern und Jugendlichen mit ähnlichen Erlebnissen.
rga-online, 3. September 2019: Text von Dela Kirchner, Bild von Doro Siewert