2. Januar 2020

Auch ohne Familie wird in der Wohngruppe das Fest gefeiert

Die Evangelische Jugendhilfe setzt an Heiligabend auf feste Strukturen, die Halt geben – mit Gottesdienst und Bescherung.

Weihnachten in der Eberhardstraße 26: (v.l.) Markus Emonts (EJBL - Zentrale Dienste) und Julian Theis (Betreuer) mit Hella und Lucy. © Roland Keusch

Weihnachten in der Eberhardstraße 26: (v.l.) Markus Emonts (EJBL – Zentrale Dienste) und Julian Theis (Betreuer) mit Hella und Lucy.

Der Tannenbaum ist geschmückt, die Geschenke sind verpackt, der riesige Kaminofen knistert. In der guten Stube der Wohngruppe der Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land (EJBL) in der Eberhardstraße 26 ist alles für ein fast normales Weihnachtsfest gerichtet. Natürlich wären alle der neun Kinder und Jugendlichen lieber daheim bei ihren Familien. Aber das klappt nicht in jedem Fall. Denn wer in der EJBL in einer der 16 dezentralen Wohngruppen in Remscheid und Wermelskirchen betreut wird, stammt oft aus zerrütteten Verhältnissen, die nicht mal für ein paar Tage im Jahr ein harmonisches Fest im Kreise der Lieben erlauben.

Die zwölfjährige Nila zählt zu den sieben Bewohnern, die dieses Jahr über die Feiertage zu Hause sein werden. Sie wird bei der Oma verbringen, wo auch weitere Verwandtschaft sein wird. Das Gleiche gilt für die 17-jährige Lucy. Seit sie vor einem Jahr wieder Kontakt zu ihrer Großmutter bekam, ist ein Stück Zuverlässigkeit in ihrem Familienleben zurückgekehrt. Lucy wird seit neun Jahren in der Jugendhilfe betreut. Die Berufsschülerin hat einige Heiligabende in der Wohngruppe erlebt. 2018, so erinnert sie sich, gab es nach Gottesdienst, Spaziergang, Bescherung und Abendessen noch einen Filmabend am Kamin mit dem „Polarexpress“.

Der Heiligabend beginnt mit dem Gottesdienst in der Kirche Hünger

Dieses Jahr bleiben nur ein 16-jähriges Mädchen und ein achtjähriger Junge in der Wohngruppe in der Eberhardstraße. Gesellschaft leistet Julian Theis, der stellvertretende Teamleiter. Ab mittags hat der Betreuer in dem stattlichen Haus, das einst einem Geschäftsführer als Domizil diente und von der EJBL gemietet ist, 24-Stunden-Dienst. Erst geht es in die Kirche Hünger, danach zurück in die Wohngruppe, wo Theis für den kleinen Kreis die Festmahlzeit zubereiten wird. Nach Absprache werden Klöße, Rotkohl und Rindergulasch serviert. Davor werden die Geschenke ausgepackt.

Jeder in der Gruppe darf Wünsche in einer Höhe bis 35 Euro äußern, die der jeweilige Betreuungserzieher in dem fünfköpfigen Pädagogenteam entgegennimmt. Nila zeichnet gerne. Auf ihrem Wunschzettel standen deshalb Federmappe mit Zeichenstiften, Malblock, aber auch Silber-Ohrringe und Nagellack in Weihnachtsfarben. Als eine derjenigen, die zuhause sein wird, hat sie ihre Präsente vergangenen Donnerstag erhalten. Denn traditionell feiern die 160 Kinder in der EJBL zweimal.

Bescherung Nr. 1 findet im großen Rahmen statt. Es ist ein Anlass, bei dem sich fast alle schick machen. Alle Kinder, Betreuer und Unterstützer der großen Einrichtung treffen sich, meist am letzten Tag vor den Weihnachtsferien im Wermelskirchener Bürgerzentrum. Der große Saal nimmt nicht nur alle 250 Beteiligten, sondern auch den Weihnachtsmann auf, der mit schweren Geschenkesäcken einzieht. Möglich gemacht wird der Segen von der Remscheider Bären-Apotheke, die an ihren beiden Standorten Wunschbäume aufstellt. So helfen auch die Remscheider bei einem gelungenen Fest mit.

Die Wohngruppe aus der Eberhardstraße hatte für das Bürgerzentrum als Programmpunkt ein „Schattenspiel“ vorbereitet. Ob nun im Bürgerzentrum oder in ihren Wohngruppen, eins ist dem EJBL-Team wichtig: „Wir wollen ein Weihnachtsfest feiern wie in den Familien auch. Der Rahmen gibt den Kindern Halt“, erklärt Teamleiterin Diana Heidt-Nippert.

Wann der Heiligabend endet, hänge davon ab, wie lange der diensthabende Mitarbeiter durchhalte, meint Lucy. Auf die Uhr wird bei den älteren Wohngruppen-Mitgliedern nicht geschaut. Schließlich kann an den beiden Feiertagen danach gechillt werden.

von Andreas Weber, RGA-online, 23.12.2019

Foto © Roland Keusch