10. Juni 2022

Bildungsfahrt zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Auschwitz

Die zahlreichen nationalen und internationalen Ereignisse der letzten Monate und Jahre gehen auch an vielen jungen Menschen in der EJBL nicht unbemerkt vorbei. In vielen Gesprächen im Alltag werden immer wieder auch Bezüge zu unserer Geschichte diskutiert, insbesondere wenn es um rechte Gruppen und Parteien geht. Dabei entstehen unweigerliche Fragen nach der eigenen Verantwortung für den Umgang mit Vergangenem und darauf aufbauend für die Gestaltung der Gegenwart. Gleichzeitig sehen sich die Kinder und Jugendlichen insbesondere in digitalen Räumen mit einem neuen Ausmaß gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie Rassismus und Antisemitismus, konfrontiert. Hier Position zu beziehen und sich richtig zu verhalten, ist für viele von ihnen eine große Herausforderung.

Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen ist es für uns in der EJBL nochmal wichtiger, aktiv für demokratische Werte und ein offenes Miteinander einzutreten. Hierbei möchten wir den jungen Menschen jedoch nicht einfach bevormundend sagen, was sie tun sollen. Vielmehr möchten wir ihnen in Gesprächen und im Rahmen gemeinsamer Erfahrungen Anreize zur demokratischen Persönlichkeitsentwicklung anbieten.

In diesem Sinne entstand u.a. bereits vor der Pandemie das Vorhaben, mit jungen Menschen aus der EJBL eine Fahrt zur Gedenkstätte des ehemaligen deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durchzuführen. Wie kaum ein anderer Ort steht Auschwitz für die Gräueltaten der Nationalsozialisten bzw. die kaum fassbaren Auswüchse des menschenfeindlichen Regimes. Nachdem wir die Fahrt wegen Corona leider mehrfach verschieben mussten, konnten wir das Vorhaben mit Unterstützung der Diakonie RWL in den Osterferien dieses Jahres endlich umsetzen.

Mit acht Jugendlichen und vier Erwachsenen bereiteten wir uns auf die Fahrt vor. Bereits bei einem ersten Kennenlernabend entstanden tiefgehende Gespräche über unsere Erwartungen und auch Sorgen in Bezug auf die anstehende Fahrt. Die Jugendlichen zeigten vom ersten Moment an eine beeindruckende Bereitschaft, sich auf die Auseinandersetzung mit dem schweren Thema einzulassen.

Ein zweites Vorbereitungstreffen fand wenige Tage später in der Begegnungsstätte „Alte Synagoge“ in Wuppertal statt. Hier erfuhren wir nicht nur viel über den jüdischen Glauben, sondern setzten uns auch mit der Verfolgung und dem daraus resultierenden Leid der jüdischen Menschen zwischen 1933 und 1945 auseinander. Anhand von mehreren Lebensgeschichten von Menschen aus dem Bergischen Land wurde uns nochmal deutlich vor Augen geführt, dass Auschwitz zwar geografisch weit weg ist, aber unmittelbar mit dem zu tun hat, was damals direkt vor unserer Haustür geschah.

Nach einer langen Busfahrt kamen wir am späten Abend des Ostermontags in Oświęcim (dt.: Auschwitz) an. Von Beginn an berührte uns die enorme Gastfreundschaft, mit der wir als wohlgemerkt deutsche Gruppe an diesem besonderen Ort aufgenommen wurden. Am nächsten Tag erhielten wir zunächst eine eindrückliche Führung durch das Stammlager. Es fiel uns schwer, die unermesslichen Gräueltaten, die den Menschen an diesem Ort angetan wurden, zu begreifen. Gleichzeitig beeindruckte uns die Stärke und der Mut, mit der zahlreiche Menschen oft mit versteckten kleinen Zeichen ihren Widerstand und Überlebenswillen äußerten. So setzte bspw. der im Lager inhaftierte Kunstschmid, welcher den bekannten Schriftzug „Arbeit macht frei“ über dem Eingangstor anfertigen musste, den Buchstaben „B“ verkehrtherum ein.

Am Nachmittag setzten wir uns in einem Workshop intensiv mit Interviews und Texten von Überlebenden des Konzentrationslagers auseinander. Die Botschaft der ehemaligen Gefangenen war deutlich: Wir brauchen heute Mitmenschlichkeit und gegenseitige Anerkennung, um den Frieden zu sichern und zu verhindern, dass so etwas wie der Holocaust nochmal stattfinden kann!

Am folgenden Tag schauten wir uns das riesige Gelände des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau an, auf welchem Hundertausende unter unwürdigen Bedingungen leben mussten und zuletzt 1500 Menschen pro Tag in den Gaskammern ermordet wurden. Um nach den eineinhalb intensiven Tagen ein wenig Abstand zu gewinnen und die Eindrücke zu verarbeiten, verbrachten wir den Nachmittag und den Abend im nahegelegenen Krakau. An zahlreichen Stellen entstanden hier beeindruckende Gespräche über das Gesehene und Erlebte.

Bereits auf der langen Rückfahrt am folgenden Tag begannen wir mit der Planung für eine Abschlussveranstaltung, welche am 23. Mai mit anderen jungen Menschen und Mitarbeitenden der EJBL stattfand. Dass diese zufällig auf den 73. Jahrestag der Verabschiedung des deutschen Grundgesetztes fiel, war zwar nicht beabsichtigt, aber ein sehr passender Umstand. Denn kaum ein anderes Datum hätte deutlicher machen können, welche Botschaft wir von der Fahrt und besonders prägnant von den Überlebenden mitgenommen haben: Unsere Demokratie ist alles andere selbstverständlich. Es liegt an uns allen, unser demokratisches Miteinander und unsere Menschlichkeit zu festigen, damit sich so etwas wie das Dritte Reich und der Holocaust nicht wiederholen kann.