Wermelskirchen. „Sie können schon viel und werden hier auf den letzten Schritt, die komplette Selbstständigkeit, vorbereitet“, so schildert Silke Gaube, Geschäftsführerin der Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land (EJBL) die vier jungen Erwachsenen, die in Kürze in das sogenannte Stadthaus am Schwaner Knapp einziehen werden.
Bis jetzt haben sie in einer Wohngruppe an der Waldhofstraße in Remscheid oder in einer Ersteinrichtung für Geflüchtete gewohnt und wurden rund um die Uhr betreut. „Jetzt haben wir für sie bewusst diese Form der Wohngemeinschaft gewählt, damit sie nicht abends nach Hause kommen und allein sind“, erklärt die Geschäftsführerin.
Junge Menschen brauchen Aufsicht
Und betont, dass die jungen Menschen in dieser Wohnform aufgrund ihres Entwicklungsstandes keiner ganztägigen Aufsicht, Betreuung oder Begleitung mehr bedürfen. Aber sie haben einen Ansprechpartner, wenn Probleme auftreten oder Gesprächsbedarf da ist. Sozialpädagoge Jörg Loose ist Teamleiter der Wohngemeinschaft und hat auch sein Büro im neuen Domizil. „Man kann sich auf die Jungs verlassen“, sagt er. Weiß aber auch, dass es um eine gewisse Sicherheit geht – auch für die Nachbarn: „Sie müssen hier ja neben Schule oder Ausbildung schon vieles selbst machen. Zum Beispiel einkaufen, kochen, putzen. Da ist es gut, wenn wir uns regelmäßig zusammensetzen und die Aufgaben besprechen.“
Dabei würde es beispielsweise auch darum gehen zu entscheiden, ob man wirklich einen Plan zum Verteilen der Arbeiten braucht. Man sei zum Teil schon ein eingespieltes Team, denn einige Jungs hätten schon Erfahrungen in puncto Wohngruppe. Auch sei man eine multi-nationale Wohngemeinschaft, in der man interkulturell und praktisch voneinander lernen könne. „Die jungen Heranwachsenden – sie sind zwischen 18 und 21 Jahre alt – werden so auch auf das Alltagsleben vorbereitet und schrittweise integriert.“ Ziel sei die Verselbstständigung – inklusive der Perspektive auf ein eigenständiges und erfülltes Leben.
Ich glaube, wir passen hier gut rein.
Silke Gaube, Leiterin der EJBL
Auf zwei Etagen verteilt sich das neue Zuhause. Parterre gibt es neben einem Schlafraum ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Besprechungszimmer und eine großzügig angelegte Terrasse. „Es ist uns wichtig, dass es einen separaten Raum für Einzelgespräche gibt. Privates kann man ja nicht im Wohnzimmer, zu dem alle jederzeit Zugang haben, besprechen“, macht der Teamleiter deutlich. Eine Treppe höher sind drei weitere Schlafräume, das Büro von Jörg Loose und seinem Team und ein Balkon. Alle Räume haben einen Laminatboden und weiß gestrichene Wände.
„Ich glaube, wir passen hier gut rein. Und ich habe gar keine Sorgen, dass das nicht funktionieren könnte. Dass wir hierhin ziehen, das steht dem Viertel gut zu Gesicht“, ist Silke Gaube überzeugt. Hat sie doch auch mit der ersten Wohngemeinschaft in einer Immobilie in Wermelskirchen nur gute Erfahrungen mit den Nachbarn gemacht.
Auszug wegen Eigenbedarfs
„Als uns das Haus vor Jahren zur Miete angeboten wurde, da sind wir dort mit einer interkulturellen Wohngemeinschaft gestartet. Und sind stolz, dass wir es gemacht haben, denn es hat gut geklappt. Wegen Eigenbedarfs der Vermieterin mussten wir ausziehen und haben verzweifelt etwas Ähnliches gesucht.“ Weil man nichts Passendes gefunden habe, die Wohngruppe aber unbedingt zusammenbleiben wollte, sei man dann in das Haus Waldhofstraße gezogen. „Die Jungs, die jetzt von dort hierhin umziehen, die freuen sich darauf. Wollen endlich mal echte Nachbarn haben, nicht nur Kinder um sich herum“, weiß die Geschäftsführerin.
Und weil das Team um Silke Gaube überzeugt ist, dass ein harmonisches Miteinander in der Nachbarschaft ein glückliches Zuhause schafft, lädt die EJBL am 27. August um 17 Uhr zu einem Nachbarschaftstreffen ein, um die Arbeit in der Wohngemeinschaft vorzustellen
Treffen mit den Nachbarn am 27. August
„Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen und sind neugierig auf Fragen und Anregungen“, heißt es in der Einladung. Die Räume im Haus Schwaner Knapp 4 werden vorgestellt, auch Essen und Trinken wird es geben. „Das Richtfest hat schon gezeigt, dass die meisten Nachbarn begeistert sind, dass wir kommen. Aber es gibt auch Sorgen“, weiß Silke Gaube. Und verspricht, dass die Anwohner auf Wunsch die Telefonnummern der EJBL bekommen, falls es doch einmal Gesprächsbedarf geben sollte. „Wir werden überzeugen“, ist die Geschäftsführerin überzeugt. Und kann sich zum intensiveren kennenlernen auch ein kleines Straßenfest vorstellen.
RGA, 05.08.2024, Text von Sabine Naber
Dazu der Kommentar von Anja Carolina Seibel:
Jugendliche der Jugendhilfe leben in einer interkulturellen Wohngruppe in der Innenstadt von Wermelskirchen. Und das ist auch gut so, findet WGA-Redakteurin Anja Carolina Siebel.
Wermelskirchen. Der Gedanke ist gut. Jugendliche der Evangelischen Jugendhilfe Bergisches Land, aus verschiedenen Kulturen und sozialen Bereichen, zusammenzubringen und eigenständig wohnen zu lassen. Sie, die zuvor am Waldhof in Remscheid eher unter sich blieben, sollen jetzt in der Wermelskirchener Innenstadt leben. Mit Nachbarn.
Da gibt es offenbar viel Offenheit, aber auch Skepsis. Fragen stellen sich diesen Wermelskirchenern. Wer kommt denn da? Wird man zurechtkommen? Ja, und sicher auch Fragen wie: Werden sich die Jugendlichen benehmen? Werden sie wissen, wie man sich eingliedert?
Man darf freudig gespannt sein
Sicher können viele dieser offenen Fragen bei dem gemeinsamen Treffen mit den Nachbarn am 27. August geklärt werden. Die Idee, so etwas anzubieten, ist deshalb absolut gut.
Gut ist aber auch das Konzept, die Jugendlichen in der Innenstadt unterzubringen. Denn sie gehören in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb darf man freudig gespannt sein, wie das Konzept der Evangelischen Jugendhilfe letztlich aufgehen wird.
RGA, 05.08.2024