30. Januar 2020

Neue Wege der Zusammenarbeit durch die Partizipation von Eltern

Durch ihre aktive Mitwirkung werden Eltern zu einer Ressource für ihre Kinder und die Einrichtung

Nachdem viele Jahre zunächst die Kinder und Jugendlichen im Zentrum der Partizipationskonzepte vieler Einrichtungen standen, rücken nun die Eltern der in der EJBL lebenden Kinder immer mehr in den Fokus. Durch die Beteiligung an verschiedenen Kernthemen der Einrichtung im Rahmen verschiedener gemeinsamer Projekte von Eltern und Fachkräften und teilweise auch Kindern und Jugendlicher wurden neue Wege der Zusammenarbeit erarbeitet und gestaltet, die nun Schritt für Schritt Einzug in unsere Praxis halten. Da Studien schon seit geraumer Zeit die verbesserte Wirksamkeit von Jugendhilfemaßnahmen belegen, wenn die Mitwirkung der Beteiligten umfassend sichergestellt ist, sehen wir die Partizipation von Eltern gleichermaßen als fachlich geboten und rechtlich verpflichtend an. Fälschlicherweise wird die Elternpartizipation als untergeordneter Bestandteil klassischer Elternarbeit gesehen. Sie stellt jedoch eine eigene fachliche Disziplin dar, da sich Ziele, Methoden und die Gestaltung der Beziehung zwischen Eltern und Fachkräften wesentlich von denen der Elternarbeit unterscheiden.

Im vergangenen Jahr konnten wir im Rahmen eines durch die Aktion Lichtblicke finanzierten Projektes vielfältige konzeptionelle Bausteine gemeinsam mit den Sorgeberechtigten gestalten, erproben und in die Praxis überführen. Besonders bemerkenswert ist die gemeinsame Konzeptfreizeit der Wohngruppe Herbert Haase Haus. Hier konnten neben dem Team sowohl die  Eltern als auch die in der Gruppe lebenden Kinder und Jugendlichen konzeptionelle Elemente konkret mitgestalten und uns aufschlussreiche Hinweise und Ideen aus ihrer eigenen Perspektive heraus einbringen. Im Sommer 2020 findet daran anschließend die jährliche Gruppenfreizeit gemeinsam mit den Eltern statt. Die Sorgeberechtigten sind hier von der Idee über die Planung, Vorbereitung und Umsetzung am gesamten Prozess beteiligt.

Darüber hinaus wurden Eltern zur Besprechung ihres eigenen Falles in die Teamsitzung eingeladen. Es gibt Überlegungen, dies als regelmäßiges Element zur gemeinsamen Gestaltung des Hilfeprozesses sowie zur Herstellung einer gemeinsamen Arbeitsbeziehung und Definition der Zielvorstellungen zu nutzen. Eltern werden hier als Experten für ihre eigene Situation sowohl in die Darstellung der Fallgeschichte, als auch in Entwicklung von Maßnahmen zur Gestaltung der Zusammenarbeit einbezogen. Somit kann es gelingen, das klassische Verhältnis von Leistungsempfänger und Experten weitgehend aufzuheben und in eine echte Koproduktion auf Augenhöhe zu überführen. Die Analyse und Anpassung unserer Aufnahmeprozesse, die Beteiligung im Alltag und die gemeinsame Gestaltung einer Begrüßungsmappe sind weitere wesentliche Elemente der Elternpartizipation in der EJBL.

Aktuell in der Entwicklung befindet sich der „Eltern-Experten-Rat“. In diesem aus Eltern, Fachkräften und einem Vertreter Geschäftsleitung zusammengesetzten Gremium sollen zukünftig im Abstand von sechs Monaten strukturierte Rückmeldungen zu Problemthemen, Best-Practice-Beispielen und Anregungen eingeholt und weitere Beteiligungsthemen erörtert werden.

Nicht zuletzt wird bereits heute ein gemeinsam mit Eltern entwickeltes Verfahren für das Anregungs- und Beschwerdemanagement umgesetzt, an dem Sorgeberechtigte als Ansprechpartner*in bei Bedarf für andere Eltern zur Verfügung stehen.

Nach unseren bisherigen Erfahrungen birgt die Beteiligung von Eltern erhebliches Potenzial sowohl  für die EJBL, als auch für die stationäre Jugendhilfe insgesamt, wenn es gelingt, Eltern bei der Wahrnehmung Ihrer Interessen und Ihrer Rechte zu unterstützen und sie als Träger elterlicher Verantwortung umfassend in unsere Arbeit zu integrieren.