16. Dezember 2019

Wohnungsführerschein für junge Leute

Ali Ebrahimi (19) beim Bewerbungstraining für eine Wohnung; mit dabei: Martin Lambotte (Bauverein), Gertrud Mallwitz (Gewag) und Jörg Loose (EJBL).

Die Evangelische Jugendhilfe Bergisch Land, die Gewag und der Bauverein Wermelskirchen schulen gemeinsam künftige Erstmieter, um sie für den Wohnungsmarkt fit zu machen – und möglichen Vermietern Sicherheit zu geben.

Wie sieht der Wohnungsmarkt für junge Erwachsene aus? „Der Wohnungsmarkt in Wermelskirchen ist noch enger als der in Remscheid“, sagt Gertrud Mallwitz, die in der Buchhaltung der Sozialarbeit bei der Remscheider Wohnungsaktiengesellschaft Gewag im Einsatz ist. Und diese Situation bekämen natürlich auch Jugendliche zu spüren – zumal sie meist kleine Singlewohnungen suchen. „Und ein Vermieter möchte natürlich wissen, wo er dran ist“, weiß Gertrud Mallwitz. Wie gehen junge Menschen mit Mietwohnungen um? Welche Vorkenntnisse bringen sie mit? Wie machen sie sich als Nachbarn? Deswegen sei es für Vermieter oft wichtig, den Hintergrund oder Verwandte der jungen Menschen zu kennen, um ihnen eine Chance zu geben.

Welche Erfahrungen haben junge Menschen der Jugendhilfe Bergisch Land (EJBL) auf der Suche nach Wohnungen gemacht? Die Situation sei sehr schwierig, weiß Jörg Loose, Leiter des Fachbereichs Verselbstständigung bei der EJBL. Oft dauere die Suche sehr lang und der Aufwand sei sehr groß, bis sich Vermieter finden. „Wenn Jugendliche volljährig werden, spätestens mit 21, machen sich die Bezugsbetreuer in den Wohngruppen mit ihnen auf die Suche nach einer eigenen Wohnung“, erklärt Loose. Hier bekommen die jungen Menschen schon ganz praktische Unterstützung. „Wir gehen auch gemeinsam einkaufen für die neue Wohnung“, sagt Loose. Und die EJBL führt ein eigenes kleines Möbellager, in dem sich Jugendliche vor ihrem Auszug umsehen können. Die Jugendhilfe setzt auch Wohnmodelle um, in denen junge Menschen in der ersten Zeit noch Unterstützung und Besuche in ihren eigenen vier Wänden erhalten – um anzukommen und sich zurecht zu finden.

Wie ist der Kursus zum Erwerb des Wohnungsführerscheins aufgebaut? Der Kursus setzt sich aus fünf Bausteinen zusammen. Einmal in der Woche treffen sich rund zehn Teilnehmer für 90 bis 120 Minuten mit Verantwortlichen der Gewag, des Bauvereins oder der EJBL. Im ersten Teil werden rechtliche Fragen geklärt – nach Vertrag und Kaution, Bürgschaft, Kalt- und Warmmiete, Betriebskostenabrechnungen, Abmahnungen und Kündigungen. Danach nehmen Teilnehmer und Kursusleiter das Zusammenleben im Haus in den Blick, kommen über die Hausordnung, Winterdienste, Handwerker- und Reparaturkosten ins Gespräch. „Und an dieser Stelle weisen wir die jungen Menschen auch darauf hin, wie wichtig es ist, mit den Nachbarn im Gespräch zu bleiben“, sagt Uwe Mantei von der Gewag. Wer eine Party feiern wolle, sollte vorher die Nachbarn informieren. Vor dem Erhalt des Wohnungsführerscheins wird auch über die Finanzierung der eigenen vier Wände gesprochen, über Ansprüche und Realität, über Haushaltsbücher und die Kosten des Umzugs. „Uns ist es wichtig, dass die Teilnehmer sich ihrer Verantwortung bewusst sind“, sagt Loose, „dann steht der Neustart auf stabilen Beinen.“ Am Ende simulieren die Jugendlichen mit den Experten des Bauvereins und der Gewag Bewerbungsgespräche.

Gibt es erste Erfolge? Der Kursus hat zum ersten Mal im vergangenen Frühjahr stattgefunden. Zwei der Teilnehmer haben inzwischen Wohnungen bei der Gewag gefunden. „Für mich ist das Wichtigste, dass ich Antworten auf Fragen habe, die ich vorher nicht hatte“, sagt der junge Teilnehmer, „ich kann das nur empfehlen.“

von Theresa Demski / RP-online, 6. Dezember 2019

Foto © Jürgen Moll